top of page
  • Autorenbildmartin.aust.coach

Einfach unfassbar: intangible Ziele im Coachingprozess

Aktualisiert: 5. Mai 2023

Coaching ist eine faszinierende Dienstleistung, bei der Klient/innen und Coaches gemeinsam im Coachingprozess neue Einsichten, Bewertungen, Ziele und Pläne kreieren. Im Gegensatz zur Herstellung von Gegenständen sind die Arbeitsergebnisse, die hier entstehen, oft nicht "anfassbar", also eher "intangibel" und deshalb schwer zu bewerten (Greif, 2015). Doch genau darin liegt auch der Reiz von Coaching.

Einfach unfassbar: intangible Ziele im Coachingprozess

Viele Menschen nutzen Coaching, um über sich selbst und den Sinn ihres Lebens nachzudenken, ohne sich sofort mit konkret messbaren Ergebnissen oder Leistungen verbinden zu müssen. In manchen Coachingansätzen stehen Sinnfragen im Mittelpunkt und Zielsetzungen, wie etwa die SelbstBEsinnung, ein tieferes Nachdenken darüber also, was uns wirklich wichtig ist und was unser Leben sinnvoll macht. Dabei geht es nicht nur darum, sich an vergangene Erfahrungen zu erinnern, sondern auch um eine bewusste Reflexion darüber, was uns im Leben wirklich antreibt und welche Bedeutung unser Handeln hat.

In Deutschland wird oft Wert auf Direktheit gelegt, auch im Umgang mit Klient/innen. Doch für Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund kann zu schnelles Konkretisieren als unhöflich empfunden werden, selbst wenn es freundlich gemeint ist. Ein guter Ansatz ist es, zuerst über verschiedene Themen zu sprechen und vage Ziele zu diskutieren, um ein harmonisches Miteinander aufzubauen. Erst dann ist es angemessen, konkrete Ziele auszuwählen und anzugehen.


Zum Beispiel können die Erlebnisse und Erfahrungen phänomenologisch beschrieben werden, um dann ihre individuelle Bedeutung vor dem Hintergrund der persönlichen Werte und Weltanschauung zu reflektieren (Existentielles Coaching nach Spinelli). So können tiefgreifende Einsichten gewonnen werden, die dem Klienten dabei helfen, seinen Lebensweg bewusster und erfüllender zu gestalten.


Ziele sind sicher das Herzstück jedes Coaching-Prozesses, aber wie können wir sicherstellen, dass sie uns wirklich nahe und sinnvoll sind? Eine Möglichkeit besteht darin, Zielhierarchien zu verwenden, um die Verbindung zwischen Werten, Zielen und Handlungen herzustellen. Zielhierarchien stellen eine Art Rahmenkonzept dar, um die Selbstkonkordanz - also das Ausmaß, in dem Ziele den authentischen Interessen und Werten einer Person entsprechen, die Übereinstimmung zwischen unseren Zielen und unseren tiefsten Überzeugungen und Werten - zu operationalisieren; das heißt, in konkrete, messbare Kriterien umzuwandeln, die beobachtet oder sogar gemessen werden können, um die Bedeutung oder den Wert des ursprünglichen Begriffs zu quantifizieren und so die Möglichkeit zu erhalten, klare Handlungen abzuleiten, zu planen und umzusetzen. Nicht ganz trivial.


Eine besonders effektive Art ist es, Ziele in einer Zielhierarchie als Rahmenkonzept zu strukturieren und so Verbindungen zwischen Werten, Zielen und konkreten Handlungsschritten herzustellen. Die spezifischen Ziele sind dabei den höheren und abstrakteren Zielen untergeordnet. Diese höheren Ziele können etwa als Werte angesehen werden - die tiefsten Überzeugungen also, die uns motivieren und uns helfen, unsere Handlungen und Entscheidungen zu treffen.


In der Praxis können wir Zielhierarchien nutzen, um uns auf unsere höheren Ziele zu konzentrieren und sicherzustellen, dass wir wirklich motiviert hinter den konkreten Handlungsschritten stehen und diese Motivation auf unseren tieferen Überzeugungen beruht - die Ziele also kongruent - sind. Indem wir uns bewusst auf unsere Werte und höheren Ziele ausrichten, können wir uns inspirieren lassen und unsere Handlungen und Entscheidungen auf eine Art und Weise treffen, die uns wirklich erfüllt und unserem Leben Sinn gibt.


Beim narrativen Coaching wird der Fokus auf persönlichen Lebensgeschichten der gelegt - sei es eine bedeutungsvolle Familiengeschichte aus der Kindheit, ein inspirierender Karriere-Weg oder eine lehrreiche Erfahrung aus der Vergangenheit. Auch Misserfolge oder schwierige Situationen werden so zusammen mit dem Coach als Geschichten reflektiert und interpretiert, um ihre Bedeutung für das Selbstkonzept und die Identitätsentwicklung zu erkennen. Durch das Überdenken und Neuerzählen von negativen Erfahrungen sowie das Hervorheben von Erfolgsgeschichten können die Klient/innen bewusst ihre Identität positiv beeinflussen und sogar konkrete Ziele für die Zukunft ableiten. In einem sicheren, vertraulichen Rahmen wird so der Weg für persönliches Wachstum geebnet.


Oft wird gefragt, was denn Typische Anlässe für ein Coaching sind. Daher zu Schluss ein kleines Experiment: Prüfen Sie einmal anhand der folgenden Beispiele, ob es sich hier schon um spezifische, messbare, akzeptierte, realistische und zeitlich strukturierte Ziele handelt (SMART-Kriterien), oder ob ihnen nicht doch etwas Vages und Intangible innewohnt, das einer genaueren Reflexion bedarf, bevor es an die Formulierung konkret angestrebter Ziele geht:

  • Erhöhung des Selbstbewusstseins, der Selbstakzeptanz und des Selbstvertrauens

  • Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten

  • Überwindung von Ängsten und Unsicherheiten

  • Steigerung der eigenen Motivation und Zielorientierung

  • Entwicklung einer klareren Lebensvision oder -richtung

  • Verbesserung der emotionalen Intelligenz

  • Entwicklung von Resilienz und Stressbewältigungsstrategien

  • Verbesserung der Konfliktlösungsfähigkeiten

  • Steigerung der Kreativität und Innovationsfähigkeit

  • Förderung der persönlichen Weiterentwicklung und des Wachstums.

  • Erkennen und Verstehen der eigenen Werte und Überzeugungen

  • Klarheit über die eigene Lebensrichtung und die eigenen Prioritäten

  • Erkennen und Überwinden von inneren Blockaden und Selbstsabotage-Mustern

  • Verstehen und Akzeptieren von vergangenen Erfahrungen und Traumata

  • Erkennen und Umgang mit persönlichen Herausforderungen und Krisen

  • Entdeckung und Entwicklung persönlicher Stärken und Talente

  • Erweiterung der eigenen Perspektiven und Weltanschauungen

  • Verbesserung der Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstbeobachtung

  • Erhöhung der Resilienz und Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen.

Als Prüfschema können Sie sowohl das GROW-Modell, aber vor allem die SMART-Kriterien ausprobieren. Sie finden dazu einen Beitrag in diesem Blog.


Literatur:

Chulef, A. S., Read, S. J., & Walsh, D. A. (2001). A hierarchical taxonomy of human goals. Motivation and Emotion, 25(3), 191–232.

Drake, D. B. (2010). Narrative Coaching. In E. Cox, T. Bachkirova & D. A. Clutterbuck (Hrsg.), The Complete Handbook of Coaching (S. 120-131). London: Sage.

Grant, A. M. (2018). Ziele im Coaching. In S. Greif, H. Möller & W. Scholl (Hrsg.), Handbuch

Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 1-13). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

Greif, S. (2015). Evaluation von Coaching als schwer bewertbare Dienstleistung. In A. Schreyögg & C. Schmidt-Lellek (Hrsg.), Die Professionalisierung von Coaching (S. 47-70). Wiesbaden: Springer.

Spinelli, E. (2010). Existential coaching. In E. Cox, T. Bachkirova & D. A. Clutterbuck (Hrsg.), The complete handbook of coaching. London: Sage.

Grant 2018

5 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page